Keine Anfechtung der Erbausschlagung bei Irrtum über den Nächstberufenen
publiziert am 29/05/2023
In dem streitigen Fall hatte der überlebende Ehegatte nach gesetzlicher Erbfolge neben den gemeinsamen Kindern der Eheleute geerbt. Sämtliche Kinder schlugen die Erbschaft aus, um den überlebenden Elternteil zum Alleinerben zu machen. Dabei wurde übersehen, dass der Erblasser Halbgeschwister hatte. Diese sind neben dem überlebenden Ehegatten gesetzliche Erben.
Bei der sogenannten “lenkenden Ausschlagung” erklären Erben trotz werthaltigen Nachlasses die Ausschlagung, um durch ihren Wegfall aus der Erbfolge eine andere, als Erbe nachrückende Person zu begünstigen. Ein solches taktisches Vorgehen bedarf genauer rechtlicher Prüfung, wie der entschiedene Fall zeigt.
Ein Irrtum über den Nächstberufenen ist nach der Rechtsprechung des BGH nur ein Irrtum über mittelbare Rechtsfolgen der Ausschlagung und damit bloß ein rechtlich unbeachtlicher Motivirrtum. Unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung ist nur die Aufgabe der eigenen Rechtsstellung als Erbe und dadurch die Begünstigung des bzw. der Anfall der Erbschaft beim Nächstberufenen.
Wer der nächstberufene Erbe ist, richtet sich nach den Vorschriften über die gesetzliche Erbfolge (§§ 1924 ff. BGB). Entgegen der Auffassung einiger Oberlandesgerichte lässt der Bundesgerichtshof nicht gelten, dass der Ausschlagende den Anfall der Erbschaft an eine bestimmte Person als das primäre Ziel seiner Ausschlagung und seinen Wegfall als bloßes Mittel zu diesem Zweck erachtete: Die weitere gesetzliche Erbfolge bleibt mittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung und damit irrelevant für eine Anfechtung.
Lenkende Ausschlagungen bedürfen daher genauer tatsächlicher und rechtlicher Prüfung.
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Ihr
Notare Bergstraße
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