Englisches Erbbrecht & deutscher Ordre Public
publiziert am 31/07/2022
Die Wahl und Anwendung englischen Erbrechts kann gegen den deutschen Ordre Public verstoßen und damit unzulässig sein, wenn sie dazu führt, dass das deutsche Pflichtteilsrecht umgangen wird.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 29. Juni 2022 (Az.: IV ZR 110/21) entschieden, dass einem Kind ein bedarfsunabhängiger Pflichtteil nicht durch Anwendung englischen Rechts entzogen werden kann, wenn der Erbfall hinreichenden Bezug zu Deutschland hat.
Im konkreten Fall ging es um einen 1936 in England geborenen Erblasser, der seit seinem 29. Lebensjahr in Deutschland wohnte und in Deutschland verstarb. In seinem Testament wählte der Brite das englische Recht (als sein Heimatrecht) und setzte eine gemeinnützige GmbH zur Alleinerbin ein. Sein 1975 adoptierter Sohn machte daraufhin Pflichtteilsansprüche geltend.
Das LG Köln wies die Klage zunächst ab, da das englische Recht keinen Pflichtteilsanspruch kenne; das OLG Köln gab ihr hingegen statt. Der Bundesgerichtshof bestätigte dies, da die Anwendung des englischen Rechts insoweit einen Verstoß gegen den deutschen Ordre Public darstelle.
Der BGH sah in dem jahrzehntelangen deutschen Lebensmittelpunkt den notwendigen Inlandsbezug des Falls. Nach der Grundsatzentscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2005 (Az. 1 BvR 1644/00) sei mit der Erbrechtsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG eine grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige Mindestbeteiligung von Kindern am Nachlass ihrer Eltern verbunden. Mögliche Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den Erben nach englischen Recht sollen dem nicht gleichstehen bzw. bestanden im konkreten Fall nicht, weil der Verstorbene sein “domicile” zum Todeszeitpunkt nicht in England oder Wales gehabt hatte.
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